Die meisten der folgenden Tipps gab ich häppchenweise verstreut zwar schon an anderen Stellen im Forum, doch jetzt bündele ich die gesamten "Heiße Luft" -Infos mal in diesem Thread, wo sie ja auch hingehören.
Vorwort:
Trotzdem ich auch eine richtige Heißluftstation für SMD-Bauteile besitze, arbeite ich, sobald es um größere Bauteile geht, als um SMD-Kondensatoren und Widerstände, viel lieber mit einer rotzbilligen, ungeregelten Heißluftpistole aus dem Baumarkt!
So ein ultrasimples Teil, mit nur zwei Heizstufen, wie es zum Entfernen von Lack verwendet wird.
Meine hat 1500W in der hohen Heizstufe (nur die ist angegeben). Die kleine Heizstufe wird intern durch eine simple Einweg-Gleichrichtung bewirkt.
Zum Löten taugt bei so einem Gerät definitiv nur die kleine Heizstufe. Wirklich immer nur die kleine Stufe nehmen!!! Da passt alles perfekt!
Das Verhältnis von Luftmenge und Luftstromintensität zu Temperatur ist (bei meinem Gerät) einfach ideal, könnte nicht besser sein!
Und weil die Netzspannung in Deutschland ohnehin ausreichend stabil ist und der Heizdraht ein PTC, braucht man auch keine Temperaturregelung. Man kann die Wärmezufuhr dann einfach über den Abstand regulieren.
Vorbereitung:
Haltet alles bereit, was Ihr eventuell benötigen könntet. Es ist super ärgerlich, wenn man alles bis zur Lotverflüssigung heiß hat und dann ein Missgeschick passiert, das den Einsatz von Entlötlitze erfordert ... die gerade dann nicht auffindbar ist!
Legt die Platine auf eine hitzefeste, möglichst auch hitzereflektierende Unterlage.
Silikonmatten tun einen recht guten Job. Da müsst Ihr allerdings etwas aufpassen, bezüglich Elektrostatik ...
Ich verwende solche Matten seit Jahren selbst (geht also), aber ich habe es auch echt im Urin, wie man Elektrostatik vermeidet.
Knopfzelle raus!!!
Mir ist beim Löten mal so ein Ding mit lautem Knall explodiert und nah am Kopf vorbei an die Decke geknallt!
Das hätte aber echt ins Auge gehen können!
Weiter unten empfehle ich sowieso, eine Brille zu tragen. Das Erlebnis mit der Knopfzelle ist ein weiterer, guter Grund dafür!
Den Batteriehalter hat sie übrigens gefetzt, so dass ich den austauschen musste.
Mit Elkos (die immerhin etwas weniger energiereich fetzen würden, so dass eine Brille das hoffentlich abhält) ist mir derlei zwar noch nie passiert, aber man weiß ja nie ...
Haltet folgendes Material bereit:
- Die Heißluftpistole (ey, das war jetzt logisch, oder?)
- Eine eingeschaltete Lötstation (falls Nacharbeit erforderlich ist) plus Lötschwämmchen etc.
- Eine gute Entlötpumpe (ein Modell mit breiter Saugdüse ist übrigens zu bevorzugen)
- Eine Blechdose, um die Entlötpumpe zu entleeren
- Feines Lötzinn (nur zur Sicherheit, meistens braucht Ihr das gar nicht)
- Flux (wer nicht weiß was das ist, der bemühe die Suchfunktion des Forums, von der Portalseite aus)
- Entlötlitze (diese sicherheitshalber zuvor mit Flux benetzen)
- Einen Silikon-Topflappen als Handballenauflage
- Eine sehr stark vergrößernde Lupe, z. B. eine Uhrmacherlupe
- Eine Brille, um die Augen vor Hitzestrahlung und "Explosionen" zu schützen. Gerne eine schwache Lesebrille.
- Eine antimagnetische, hitzefeste Pinzette (das Feature "antistatisch" halte ich hingegen für Werbe-Schwachsinn)
- Flux-Entferner, und/oder Isopropanol, Papier-Küchentücher, Reinigungsbenzin, kleine Bürste
- Ein hitzefestes Schälchen (oder eine Untertasse), zur Ablage entlöteter Bauteile
- Ein zweites Schälchen, in das Ihr das/die neue Bauteil(e) bereit legt, und zwar "mundfertig" korrekt ausgerichtet!
- Eine Nadel im Halter, Skalpell etc., für filigrane Feinarbeiten.
- Kapton-Klebeband, um benachbarte, hitzeempfindliche Bauteile zu schützen (sucht mal bei eBay danach).
- Eine gute Lichtquelle! Tipp: Stirnlampe!
Ich habe hier zudem einen Feuerlöscher stehen, für alle Fälle. Ich will Euch ja nicht verrückt machen, aber behaltet immer im Kopf, was alles passieren könnte. Z. B. wenn die Heißluftpistole, zusammen mit dem Chemiekram, auf den Flokati fällt, oder so ...
Man glaubt es ja nicht, was alles passieren kann (wird!), wenn man eine Sache nur oft genug wiederholt!
- Allein das Erlebnis mit der explodierenden Knopfzelle ... wäre mir das (heiße!!!) Metallding wuchtvoll ins Auge gecrasht, dann wäre ich kreischend herum gerannt, hätte "augenblicklich" alles fallen gelassen und den Tisch umgerempelt, ohne etwas sehen zu können. Und sicherlich ohne einer herunterfallenden Heißluftpistole in diesem Moment die angemessene Aufmerksamkeit zu widmen.
Dann hilft der Feuerlöscher vielleicht auch nicht mehr, aber zumindest in weniger spektakulären Fällen, oder wenn eine zweite Person anwesend ist.
Wenn Ihr keinen Feuerlöscher habt, dann ist ein Eimer Wasser genau dann gut, wenn Ihr auch in akuter Panik daran denkt, vor dessen Entleerung zum Sicherungskasten zu rennen. Gegen manche brennende Chemie hilft Wasser aber bekanntlich nicht wie erwartet.
Lasst Euch was einfallen!
Liste abgehakt? Gut:
Bevor Ihr los legt, schaut Euch noch genau an, wie das neue Bauteil ausgerichtet werden muss und legt es griffbereit ab (in einer kleinen Lache Flux), so dass Ihr es im entscheidenden Moment, wenn es ganz flott gehen muss, quasi blind mit der Pinzette packen und platzieren könnt, ohne erst lange nach der Pin-1-Markierung suchen zu müssen!
Übt die dazu notwendige Bewegung einmal im "Trockenlauf", bevor ihr die Heißluftpistole überhaupt einschaltet. Es passiert sonst sehr leicht, dass man sich doch um 90 Grad vertut, bei den kleinen, quadratischen Chips.
Vorwärmen:
Weil Ihr wohl sicherlich kein Vorwärmgerät für Unterwärme besitzt:
Wärmt den Lötbereich mit langsam kreisenden Bewegungen der Heißluftpistole gute 90 Sekunden vor. Davon 30 Sekunden aus etwas größerem Abstand und satte 60 Sekunden aus 10cm Abstand.
Nehmt Euch unbedingt diese Zeit, das gründliche Durchwärmen von Platine und Bauteilen ist wirklich sehr wichtig!
Erst nach frühestens 90 Sekunden mit der Düse noch tiefer gehen, auf 5cm, oder notfalls noch tiefer (alles so "Auge mal Pi").
Arbeitet ohne Aufsetzdüse. "Volle Breitkante" Luftstrom sozusagen.
Dabei kommt der Luftstrom so schön dezent, dass keine kleinen Bauteile wegfliegen.
Dass dabei ein viel größerer Platinenbereich erhitzt wird, als scheinbar erforderlich, ist sogar vorteilhaft, denn das vermeidet ungleichmäßige, mechanische Spannungen durch thermische Ausdehnung.
Stupst das zu entlötende Bauteil immer mal kurz mit der Pinzette an, nachdem Ihr auf 5 cm runter seid, um es sofort entfernen zu können, sobald das Lot flüssig ist. Mit der maximalen Temperatur (also bei minimalem Abstand) solltet Ihr nur wenige Sekunden drauf gehen. Das alte Bauteil muss also rasch runter, sobald es geht (statt ausgiebig in flüssigem Lot zu baden, bis es "gar" ist).
Schützt Euch vor der Gluthitze!
Die reflektierte, brüllende Hitze stört beim präzisen Platzieren des neuen Bauteils, wie Ihr merken werdet.
Ja, das glaubt Ihr jetzt nicht, aber erinnert Euch an meine Worte!
Haltet darum einen Silikon-Topflappen bereit, den Ihr unmittelbar vor dem Platzeren des neuen Bauteils direkt neben (oder auf) die Platine legt, um dort den Handballen aufsetzen zu können. So zittert die Hand weniger, die die Pinzette hält.
Und tragt eine Brille (schwache Lesebrille, oder so). Das hält eine Menge der irrsinnigen Hitze von den empfindlichen Augen weg.
Außerdem schützt sie (einigermaßen) vor womöglich explodierenden Teilen.
Licht!
Viel Licht ist wichtig. Eine gute Kopflampe tut da einen prima Job. Denn man kann, wenn alles richtig heiß ist, mit dem Gesicht leider nicht so dicht ran, wie man es gerne wollte (und wie es beim Löten mit dem Kolben problemlos ginge), dazu ist das Hitzeinferno einfach gar zu unerträglich.
Wenn der Kopf aber weiter weg ist, dann braucht man viel Licht, um noch alles klar erkennen zu können.
Eine Stirnlampe bringt das Licht dorthin, wo es benötigt wird.
Flux:
Arbeitet unbedingt mit Flux! Wer nicht weiß, was das ist, der bemühe die Suchfunktion des Forums, von der Hauptseite aus und füttere auch YouTube mit dem Begriff.
Selbst verbrutzelte Stellen werden wieder verblüffend schnuckelig, wenn man mit Flux, Entlötlitze und Lötkolben nacharbeitet.
Das geht richtig super, wenn durch vorherigen Einsatz der Heißluftpistole alles so richtig gut vorgewärmt wurde.
Ich rate sehr, mal ein altes Mainboard vom PC-Doktor um die Ecke zu besorgen, um das Entlöten und Einlöten von Bauteilen mit der Heißluftpistole zu üben, bevor Ihr Euch an ein reales Objekt heran wagt.
Beackert mal einen vielpoligen Chip ohne Flux und einen weiteren mit Flux. Dann seht Ihr, wozu das Zeug gut ist!
Der Bauteiltausch:
Anders als beim Bestücken einer neuen Platine, wo die Zugabe von Lot (Lötpaste) erforderlich ist, kommt man beim bloßen Austausch von SMD-Bauteilen fast immer ohne Lötzinn aus. Auf den Pads verbleibt genug Restlot, so dass Ihr das neue Bauteil einfach nur "aufbacken" müsst. Lediglich die Zugabe von Flux ist erforderlich, um bereits oxidiertes Lot wieder zu reaktivieren.
Entnehmt das entlötete Bauteil mit der Pinzette und legt es immer weeeiit weg, nach links, in eine Schale/Untertasse.
Das neu einzulötende Bauteil entnehmt von einer zweiten, sich stets rechts (und nah) befindenden Schale.
- So könnt Ihr nie die Bauteile verwechseln.
Der letzte Absatz mag vielleicht dumm klingen, aber mir ist es im Halbschlaf sogar schon passiert, einen völlig falschen IC einzulöten, weil ich ihn von der falschen Stelle nahm! Darum vorher alles im Geiste durchgehen und mundfertig platzieren, in immer gleicher Weise, um solche Fehler auszuschließen.
Also: Altes kommt immer nach links (und weit weg!), Neues kommt immer von rechts (und ganz nah)!
Luft!!!
Habt bei der Arbeit die Fenster offen und lasst wenn möglich 'nen Ventillator laufen. Der soll Euch zwar nicht direkt anpusten, aber Euch die ganzen Dämpfe vom Leib halten.
Bei umfangreichen Lötaktionen, mit viel Flux, Flux-Entferner, Isopropanol ... kann es sonst sein, dass Euch das Zeug in die Nase steigt. Niesanfälle sind dann eine noch eher harmlose Wirkung (wenn auch bei der Arbeit betont störend).
Mir hat es schon mal aus der gereizten Nase auf die heiße Platine getropft ...
- ja, ich bin empfindlich!
Übung macht den Meister!
Wenn Ihr meine Tipps eisern befolgt, sollte eigentlich auf Anhieb alles gut klappen.
Ich jedoch, habe viel Erfahrung sammeln und viele Platinen verbraten müssen, bevor ich mit der Baumarkt-Heißluftpistole perfekt umgehen konnte. Ich musste es mir damals allerdings auch alles selbst ertüfteln.
Versucht wirklich niemals (auch nicht ganz kurz), mit der großen Heizstufe nachzuhelfen; es ist der Tod der Platine, bzw. der Bauteile!
Wenn ein Bauteil mal partout nicht runter will, dann halt mit der Düse noch dichter runter gehen. Aber nehmt Euch unbedingt die satten 90 Sekunden Vorwärmzeit, bevor Ihr tief runter geht!
Es dürfen auch 100, oder 110 Sekunden sein, aber nicht weniger als 90, bevor Ihr mit der Düse tief runter geht. Die Platine muss ihre Zeit kriegen, sich richtig satt voll durchzuwärmen.
Wenn Ihr diesen Tipp nicht einhaltet, dann werden die Bauteile sterben, denn dann müsst Ihr lange mit großer Hitze von oben drauf, obwohl die Platine noch nicht heiß genug ist. Dabei kriegt das Bauteil zu viel Hitze ab und stirbt, bevor überhaupt das Lot flüssig ist.
Zum Trainieren sind alte Notebook-Mainboards ideal. Wer es schafft, alle FPC-Verbinder (Flachbandkabel-Anschlüsse) unverkokelt herunter und wieder drauf zu bekommen, der ist bereit, für die echten Lötaufgaben.
Denn praktisch alle anderen Bauteile sind viel robuster und unkritischer. Die FPCs verkokeln aber schon bei ganz geringer Überhitzung. Wenn Ihr diese Biester also unbeschadet herunter bekommt, dann überleben Euer Gewerkel auch alle anderen Bauteile (und die Platine selbst).