Also ich würde logisch vorgehen:
Tun wir das denn nicht?
Es ist doch unlogisch das gleich 2 fehler auf einmal auftreten.
Wundert mich zwar auch, aber so etwas kommt gelegentlich vor.
War ja auch in meinem letzten Schnellkurs-Posting der Fall. Auch dort hatte ich bereits einen Fehler repariert, als dann zusätzlich auch noch der defekte BAT-FET ins Spiel kam.
Zwar tue ich mich echt schwer damit, eine Erklärung für so einen Doppelfehler an den Haaren herbei zu ziehen (Überspannung ist immer gut dafür, ist halt sowas wie Putin - hat immer Schuld, egal was ist!), aber so etwas kommt halt vor.
Auf Wunsch kann ich Video als nicht gelistet hier verlinken.
Wie Du willst.
In den Videos von Apfeldoktor und anderen sieht man das die damit alle arbeiten
Ja, aber haben Apfeldoktor & Co. die Methode mit der Thermofolie denn schon einmal ausprobiert?
- Wer diese Methode nicht kennt und auch keine Thermografie-Kamera besitzt, der muss sich halt irgendwie anders behelfen. Auch ich selbst habe ja früher andere Methoden angewendet.
Der Luis Rossmann z. B., verwendet Isopropanol. Zumindest hat er es früher so gemacht, ich schaue seine Videos schon lange nicht mehr.
Auch Isopropanol ist so ein typischer Notbehelf, mit dem man halbwegs klar kommt. Nicht die beste Methode, aber es geht. Meistens.
Und genauso sehe ich es mit Kältespray.
Wenn die Raumtemperatur innerhalb des Arbeitsbereichs liegt, dann detektiert mir die Folie Temperaturunterschiede von Bruchteilen eines Grades Celsius. Und ich zweifle daran, dass das auch mit Kältespray geht.
Fies sind ja eben diese Bauteile, die sehr sehr niederohmig defekt sind, so dass sie sich wirklich nur sehr sehr gering erwärmen.
Bauteile, die noch ein Ohm Restwiderstand aufweisen, würden sich bei 3A Stromeinspeisung kräftig erwärmen, weil heftige drei Watt darüber abfallen. Da kommt man mit Isopropanol, oder Kältespray, selbstverständlich bestens klar. Auch der nackte Finger würde da ausreichen.
Anders sieht es aus, wenn der Restwiderstand im Bereich von Milliohm liegt und daher nur ein paar Milliwatt an Leistung abfallen, beim Einspeisen von 3A Strom.
Bei Lötvorgängen sind die Temperaturänderungen ja noch viel höher und das muss die platine ja auch aushalten.
Ja, aber das ist nicht der Punkt. Es geht darum, wie schroff die Temperaturänderung ist. Und das noch garniert mit gefrierendem Kondenswasser, wenn man mehr als einmal sprüht.
Vielleicht bepiesel ich mich da nur, aber wenn ich mir vorstelle, dass sich ein Bauteil durch den Teststrom auf z. B. 40 Grad erwärmt und dann wird Kältespräy drauf gesprüht, das alles blitzartig auf unter -40 Grad kühlt, dann ist das ein plötzlicher Sprung um 80 Grad Kelvin.
Damit nicht genug: Nun bildet sich Kondenswasser, dieses zieht sich per Kapillareffekt z. B. unter die BGAs und nun sprüht man ein zweites Mal ...
Wie allgemein bekannt, dehnt Wasser sich beim Gefrieren aus. Hier hätte ich Angst, dass es im Extremfall die Chips vom Mainboard absprengt. Oder zumindest einige BGA-Balls. Einer reicht ja schon und das Board ist geschrottet.
Und noch etwas kommt hinzu:
Wir haben eine Wassereinwirkung. Nicht sehr lange, aber eben doch eine Wassereinwirkung.
Wasser kann in die Resin-Ummantelung der Chips eindiffundieren. Darum müssen Chips, die auch bloß zu hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt waren, vor dem Löten gebacken werden. Andernfalls tritt der berüchtigte Popcorn-Effekt auf, der die Chips platzen lässt, wenn das eindiffundierte Wasser beim Löten verdampft.
Sicher: Die Einwirkzeit ist sehr gering, wenn man bloß kurz ein paar Sprühstöße Kältespray drauf gegeben hat. Viel wird in dieser kurzen Zeit nicht eindiffundieren. Trotzdem fühle ich mich ganz und gar nicht wohl bei dem Gedanken.
Davon abgesehen kann die Einwirkzeit ungewollt eben doch ausarten, wenn mitten beim Machen plötzlich das Telefon klingelt und man ran geht. Oder wenn der Paketlieferant kommt und man anschließend vergisst, wo man gerade bei war und sich erst einmal wieder an den PC setzt etc. etc.
Wenn man dann lötet, dann platzen einem Bauteile.
Wasser hat außerdem noch einen anderen Effekt:
Angenommen, durch den schroffen Temperatursprung zerbröselt der defekte Kerko, während man gerade den Teststrom einspeist.
Dann fällt der Kurzschluss urplötzlich weg und nun hat man Spannung auf der Systemrail, während das Mainboard recht großflächig nass ist ...
Defekte Kerkos sind eh schon geplatzt und neigen so ein Bisschen zum Zerbröseln. Mir sind schon welche auseinander gefallen, beim entlöten.
Dieses Zerbröseln will man aber wirklich nicht haben, wenn gerade Strom eingespeist wird und die Platine nass ist. Dann hat man überall Kriechströme, die sicher nicht gut sind.
Es mag ja in den meisten Fällen gut gehen, aber wenn nicht, dann hat man überhaupt erst durch seinen Eingriff Folgeschäden verursacht, die bei einer adäquaten Vorgehensweise gar nicht aufgetreten wären.
Ich kann wirklich keinen guten Grund für den Einsatz von Kältespray sehen, wohl aber die beschriebenen Gegenargumente.
Es ist ja nicht so, dass es keine anderen und besseren Methoden gäbe, warum also diese unnötigen Risiken eingehen?
Auch beim Löten achten wir auf die Einhaltung einer Temperaturkurve.
Wir löten tunlichst nicht an Boards herum, die Feuchtigkeit ausgesetzt waren, die nicht zuvor nach allen Regeln der Kunst ausgetrieben wurde. Und wir lassen die Temperatur (zumindest an kritischen Stellen) gemächlich steigen. Drei bis vier Minuten lang.
Die per Lötkolben erreichbaren Stellen sind nicht so kritisch, aber wenn wir nah an BGAs arbeiten, dann achten wir auf sanften Temperaturverlauf.
Dagegen ist das sorglose drauf wichsen von Kältespray echt wie ein druff dreschen mit der Steinzeit-Keule. Warum so etwas tun, wenn es bessere Alternativen gibt?