Spezieller Nagellack:
Zum Aufspüren nur ganz zart erwärmter Stellen kam weiter oben (und mehrfach anderweitig im Forum) bereits der spezielle Nagellack zur Sprache, der ab 30 Grad Celsius sehr deutlich die Farbe wechselt.
Radierbarer Kugelschreiber:
Wenn man dagegen etwas stärker erwärmte Stellen überführen möchte, dabei der Einsatz des Fingers jedoch nicht möglich ist, dann habt Ihr einen geeigneten Farbstoff vermutlich Zuhause in der Schublade!
- Die Tinte radierbarer Kugelschreiber wird ab etwa 50 Grad unsichtbar!
Hier mal ein schnelles Experiment: Papierstreifen mit grünem Radierstift bekritzelt, doppelseitig mit zwei Lagen Klebeband geschützt und den Streifen in ein Glas mit heißem Wasser getaucht.
Wie man sieht, ist die Farbe bei 51 Grad schon deutlich verblasst. Man sieht schon fast nur noch die Druckstellen im Papier. Bei 55 Grad wird der Farbstoff komplett unsichtbar.
Und wie beim erwähnten Nagellack auch, ist dieser Effekt beliebig oft umkehrbar; nach dem Abkühlen ist das Gekritzel also wieder sichtbar, als wäre nichts gewesen.
Es gibt aber einen weiteren, interessanten Effekt: Erhitzt man die Farbe noch höher - auf mehr als 90 Grad - dann tritt eine deutliche Hysterese in Erscheinung. Konkret: Das Abkühlen auf Raumtemperatur reicht dann nicht aus, um die Schrift wieder erscheinen zu lassen, sondern jetzt muss man das Gefrierfach bemühen, oder Kältespray!
Daraus folgen zwei Dinge:
- Dass es möglich ist, im Anschluss an die eigentliche Anwendung festzustellen, ob die Temperatur von 50 Grad sehr deutlich überschritten wurde. Das wäre dann der Fall, wenn bei Abkühlung auf Raumtemperatur das Schriftbild weiterhin unsichtbar bleibt.
- Dass sich Radiertinte auch zur Detektierung einer sehr tiefen Temperatur eignet, die unter dem Gefrierpunkt liegt. Dazu muss das Gekritzel vor der eigentlichen Anwendung lediglich kurz erhitzt werden. Bei genügend tiefer Abkühlung erscheint das Schriftbild wieder und bleibt dann auch bei Raumtemperatur stabil - bereit für die nächste Erhitzung.
Nicht schlecht: Ein einziger Farbstoff, der ganze drei Temperaturwerte detektieren kann: 50 Grad, >90 Grad und ca. -10 Grad!
Ihr müsst aber eigene Experimente machen, statt Euch auf meine Angaben blind zu verlassen, denn andere Farben, als die in meinem Stift vorhandene, könnten andere Umschlagstemperaturen aufweisen.
Ich habe mal etwas recherchiert, konnte aber nichts genaueres herausfinden, außer dass ich nicht der Erste bin, der diesen Effekt bemerkt. Er scheint generell bei allen radierbaren Kugelschreibern aufzutreten, denn das ist der Witz an der Sache: Beim "Radieren" bewirkt die dabei auftretende Reibungswärme das Auslöschen des Schriftbildes! Die Tinte wird also nicht weg gerubbelt, anders als beim Bleistift.
Thermopapier:
Nur der Vollständigkeit halber sei es nochmals erwähnt, dass selbstklebende Papieretiketten von Thermotransfer-Druckern sich natürlich ebenfalls eignen, um Erhitzungen nachzuweisen.
Das ist immer sehr praktisch, wenn man später schauen möchte, ob sich in einem zusammengebauten Gerät ungutes getan hat. Dort kann man ja nicht mit dem Finger hinein greifen und man kann auch nicht so einfach einen Temperatursensor hinein schieben.
Die Umschlagstemperatur liegt ungefähr bei 100-120 Grad, aber leider mit einiger Unschärfe nach oben und unten. Möglich, dass manche Produkte schon zwischen 80-90 Grad umschlagen, andere hingegen erst ab 130 Grad.
Im Zweifelsfall also immer eigene Experimente durchführen!
Kältespray:
Wiederum nur der Vollständigkeit halber:
Man kann eine Schaltung mit Kältespray vereisen und dann schauen, wo der Raureif (der sich aus gefrierender Luftfeuchtigkeit bildet) zuerst verschwindet, wenn man Strom einspeist.
Ich habe an diesem Verfahren zwei Dinge auszusetzen:
- Der Einsatz ist gefährlich für die Schaltung, weil der schmelzende Raureif Wasser freisetzt. Bei Schaltungen mit sattem Kurzschluss entfällt dieser Kritikpunkt (da sackt die Spannung ja auf nahezu Null Volt ab). Aber bei nur teildefekten Schaltungen sollte man das Hirn einschalten, bevor man Kältespray anwendet.
- Für ein Notebook-Mainboard bedeutet ein dermaßen schlagartiges Abkühlen einen Temperaturschock, den ich für ungesund halte.
Wenn man das Zeug unbedingt anwenden will, dann sollte man das Mainboard zuvor auf ein Handtuch legen und für mindestens eine halbe Stunde ins Gefrierfach packen, bevor man das Kältespray einsetzt. Dadurch ist der Temperatursprung nicht mehr so gravierend.
Ach ja: Druckluftspray ist übrigens ein sehr guter Ersatz für Kältespray. Dazu einfach die Dose auf den Kopf stellen, beim Auslösen. Unvermeidbar läuft einem dabei aber etwas von dem flüssigen Treibgas über den Finger. Ein Stück Plastikfolie hilft dagegen.
Schlieren-Fotografie:
Kaum jemand wird sich diesen Aufwand ernsthaft antun, um auf diese Weise thermische Fehler in einer Schaltung aufzuspüren. Aber weil es thematisch so gut passt und eine prima Inspiration ist, sei noch einmal darauf verwiesen:
Inspirierende Technik
Vaseline, Wachs, Schrumpfschlauch, Frischhaltefolie:
Als Improvisation, wenn mal auf dem Dorf in Timbuktu eine wichtige Anlage mit einem schwer aufspürbaren Thermodefekt ausgestiegen ist:
- Vaseline wechselt schon bei Handwärme von einem pastösen in eine öligen Zustand.
- Bei noch etwas größerer Temperatur beginnt Wachs zu schmelzen.
- Und wenn der Durchmesser eines Stücks Schrumpfschlauch abnimmt, oder wenn locker gespannte Frischhaltefolie sich so richtig schön faltenfrei glatt strafft, dann wird die Temperatur grob im Bereich von 100 Grad liegen.
Diese Methoden eignen sich zwar weniger für die Fehlersuche in Notebooks, aber als pure Anregungen will ich sie erwähnt haben.
Und noooch mal zu dem berühmten Thermo-Nagellack:
Die Chinesen scheinen da immer wieder mal an dem Repept was zu drehen. Ich habe kürzlich eine frische Lieferung erhalten, bei der sich das Produkt nach der Anwendung nicht mehr so gut mit Isopropanol entfernen lässt, wie das aus meiner ersten Lieferung. Dafür sind die Benetzungseigenschaften etwas besser geworden (wenn auch noch immer nicht berauschend).
Normalerweise ist der Nagellack dafür gedacht, auf einer hellen Grundierung aufgetragen zu werden - ein Zirkus, den wir uns für die Fehlersuche in Schaltungen natürlich ersparen wollen, zumal wir alles, was wir da auftragen, ja anschließend wieder restlos abwaschen müssen. Aber eine Grundierung würde natürlich für allerbesten Kontrast und beste Benetzung sorgen.
Mich nervt auch das Geschmiere beim Hantieren mit der Platine, weil ich das pastöse Zeug ja nicht wie vorgesehen mit UV-Licht aushärte.
Ich tüftle daher schon länger an einer Möglichkeit, den Lack in einen Zustand wie Knetmasse, oder "Slime" zu überführen. Einen Zustand halt, der erstens hohe Deckkraft gewährleistet und der zweitens das restlose Entfernen (und somit auch die Wiederverwertbarkeit) erleichtert, möglichst ohne weiteren Einsatz von Chemie. Kritisch sind dabei natürlich die Zwischenräume von IC-Pins.
Wer da mal eine so richtig pfiffige Idee hat, der möge sein Wissen bitte teilen!
Update vom 27.12.'17
Zwei neue Alternativen zu dem thermochromen Nagellack:
1) Statt Lack kann man auch das darin vorhandene Pigmentpulver auch separat erwerben. Z. B. in dieser Variante:
Thermochromic Colour Change Temperature Sensitive Pigment - Green to Yellow 31°C
Es gibt viele Möglichkeiten, das Pigment anzuwenden. Z. B. kann man es (sparsam) in einen Gefrierbeutel oder ähnlich einfüllen und mit einem zweiten, luftgefüllten Beutel plus einer Glasplatte auf die Schaltung drücken.
Oder man kann das Pigment mit etwas Öl vermengen und mit einem
Thixotropiermittel zu einer streichfähigen Masse verdicken, die sich viel leichter wieder entfernen lässt, als der Nagellack. Natürlich kann man auch eine transparente Folie darunter legen, um die Schaltung damit erst gar nicht zu besudeln, was beim Nagellack weniger gut gelingt, aufgrund von dessen Fließeigenschaften und seiner schlechten Benetzung glatter Oberflächen.
Thixotropiermittel werden sonst u. a. zum Eindicken von Epoxidharz verwendet und sind folglich im gut ausgestatteten Klebstoffhandel erhältlich. Leider reduziert sich aber das Kontrastverhalten, wenn man das Pigment "streckt".
2)

Flüssigkristall-Folie - mein neuester, absoluter Favorit!
Thermochromic VinylFlex. 25-30°C Sheet (Matt Finish) 221 x 202mm
Solche Matten gibt es schon seit vielen Jahren und in verschiedenen Ausführungen. Diese Variante hier ist schön dünn und wechselt bereits ab 25 Grad Celsius, also schon ganz knapp über Raumtemperatur, die Farbe; sie reagiert somit noch empfindlicher, als der berühmte Nagellack, bzw. das Pigment, die ja beide erst ab 31 Grad Celsius reagieren.
Obwohl diese Folie nicht ganz optimal ist, ist sie mein derzeitiger Favorit.
Zu nörgeln habe ich an zwei Eigenschaften:
Erstens wechselt die (im raumkalten Zustand) fast schwarze Farbe über Rot, Gelb und Grün nach Dunkelblau. Das ist leider nicht sehr intuitiv, weil besonders "hohe" Temperaturen (ab ca. 30 Grad Celsius) wiederum eine dunkle Farbe ergeben, fast wie im Kaltzustand.
Ganz optimal wäre eine im kalten Zustand transparente Folie, die bei Erwärmung intransparent knallig bunt wird. Dann könnte man die Platine gut im Blick behalten und nur die warme Stelle würde deutlich ins Auge stechen.
Zweitens könnte die Folie gerne deutlich dehnbarer sein, mehr wie ein Elastomer.
Trotz der Kritikpunkte tut die Folie einen hervorragenden Job und ist schön langlebig.
Ich empfehle, zuerst die Schutzfolie von der Klebeschicht abzuziehen und den Kleber mit Isopropanol komplett zu entfernen (furchtbarer Schmierkram, Handschuhe tragen!). Dadurch wird der Bogen insgesamt zumindest etwas geschmeidiger.
Zur Anwendung die Folie auf das noch kalte Mainboard auflegen, darauf einen transparenten Luftbeutel legen (Kondom, Gefrierbeutel etc.) und diesen mit einer Glasplatte herunter drücken. Dadurch schmiegt sich die Thermo-Folie eng an alle Bauteile an.
Nun dem Mainboard Strom zuführen (ca. 3 Ampere). Die eingebetteten Flüssigkristalle verfärben sich an der wärmsten Stelle praktisch augenblicklich! Selbst ein nur minimaler Temperaturunterschied wird sofort deutlich sichtbar.
Der Farbwechsel ist natürlich reversibel, daher ist so ein doch recht teures Blatt also quasi unbegrenzt oft verwendbar.
Defekte Keramik-Kondensatoren etc. sind damit schnell überführt.
Wie gesagt: Das Material könnte für unseren Zweck gerne noch etwas flexibler sein, damit es sich noch besser an ungleichmäßig hohe Bauteile anschmiegt, aber im Grunde reicht es. Das Material behält selbst bei ziemlich starkem Andruck keine Knitter zurück, sondern ist nach der Anwendung wieder schön glatt.
Ich habe von meinem Bogen übrigens zuerst zwei unterschiedlich breite Streifen abgeschnitten, um damit auch besonders schwer zugängliche Stellen zwischen hohen Bauteilen gut erreichen zu können. Will sagen: Die Folie ist ohne Funktionseinbuße beliebig zuschneidbar.
Update vom 04.02.'18:
Die Thermo-Folie hat sich in den letzten Wochen wirklich bestens bewährt! Inzwischen setze ich sie ständig und ausschließlich ein.
Alle weiter oben aufgeführten Verfahren sind somit bedeutungslos geworden. Ich lasse sie dennoch stehen, da sie als Notlösungen und für höhere Temperaturbereiche noch immer interessant sind.
Beachtet bitte folgenden Link, wo ich den Einsatz der Wunderfolie bei der Suche nach einem Kurzschluss demonstriere:
Kurzschluss im Notebook
Beachtet auch das dort verlinkte Youtube-Video! Direktlink:
https://www.youtube.com/watch?v=6EJEvQw79Hc