Hallo Andi!
1. Ich habe kein Labornetzteil, kann ich die thermographische Methode dann überhaupt anwenden?
Äh, das erschwert die Sache ...
Es ist halt erforderlich, einen Strom von ca. 3A einzuspeisen. Da Dein Mainboard einen Kurzschluss hat, würde normalerweise ein viel höherer Strom fließen wollen, der ein "normales" Netzteil, mit Überstromschutz, dann sofort zum Abschalten bringt.
Man kann durchaus auch ein Notebook-Netzteil für den Job verwenden, aber dann muss man dafür sorgen, dass der Strom nicht höher werden kann, als der auf dem Typenschild angegebene Wert.
Dazu müsste man einen passenden Widerstand basteln, mit richtig heftiger Leistungsfestigkeit. Das ist aber nicht ganz ohne ...
Mal als Beispiel:
Angenommen, Dein Kurzschluss ist so gestrickt, dass er ab dem Einspeisepunkt genau einem Ohm entspricht. Dann würden bei 19V Betriebsspannung satte 19A fließen, denn I=U/R
(Strom ist gleich Volt durch Ampere)
Wenn man jetzt den Strom auf 3A begrenzen möchte, dann müsste der Gesamtwiderstand 6,333 Ohm betragen (19V/3A = 6,333Ohm).
Da das Mainboard (in diesem Beispiel, ausgedachter Wert) ja schon einen Ohm hat, müsste ein Vorwiderstand ergo 5,333 Ohm haben.
Wenn nun aber 3A durch einen Widerstand von 5,333 Ohm fließen, dann fällt darüber eine Leistung von rund 48 Watt ab! (P = I*I*R)
Ein typischer, bedrahteter Elektronik-Widerstand hat eine Belastbarkeit von 0,25W. Also um Größenordnungen zu wenig.
Für einen Elektrotechniker ist es hinreichend realistisch, sich einen passenden Widerstand mit 48W Belastbarkeit mal eben selbst zu stricken. Da kann man kreativ sein und Halogenlampen missbrauchen, oder einen alten Toaster etc.. Ob das aber für Dich in Betracht kommt, wage ich doch eher zu bezweifeln.
Ein Labornetzteil nimmt einem den Kummer sehr elegant ab. Da stellt man per Poti einfach den gewünschten, maximalen Ausgangsstrom ein und das Netzteil tut fortan exakt so, wie ihm geheißen.
Fasse doch mal dieses hier ins Auge:
https://www.ebay.de/itm/193092862637
Für schlappe 37,- EUR, inklusive Versandkosten, bei Lieferung direkt aus Deutschland, hat das Dingens - direkt mundfertig - voll und ganz ausreichende Leistungsdaten. Es lohnt sich nicht, noch billiger davonkommen zu wollen. Es ist übrigens sogar besser, als mein eigenes.
Man braucht so ein Netzteil immer wieder mal, wenn man mit Elektro-Kram zu tun hat. Da spart man sich doch lieber die Pfuscherei, einen Toaster als Vorwiderstand umzufunktionieren - und was einem sonst noch so einfallen könnte.
2. Wo muss die Spannung genau angelegt werden?
Hier in Dein Bild eingezeichnet, siehst Du vier Messpunkte:
Messpunkt 1 ist an den beiden parallel geschalteten Eingangsdrosseln EL4 und EL5.
Dieser Messpunkt sollte per Durchgangsprüfer direkten Durchgang zu den roten Leitungen Deiner Stromeingangsbuchse haben.
Diese Drosseln sind nicht in jedem Layout vorhanden, aber Du hast sie halt bestückt.
Die andere Seite der Drosseln zeigt auf den "Eingang" des ersten Eingangs-MOSFETs (PQ1).
Der "Ausgang" von PQ1 ist mit dem "Eingang" des zweiten MOSFETs (PQ2) verbunden. Das ist hier der Messpunkt 2.
Messpunkt 3 ist der "Ausgang" des zweiten MOSFETs, der mit dem Shunt-Widerstand PR7 verbunden ist.
Messpunkt 4 ist der "Ausgang" dieses Shunts.
Das ist der Einspeisepunkt für die von mir empfohlenen 3A Strom, um sinnvoll mit thermografischen Hilfsmitteln arbeiten zu können.
Wenn alles OK wäre (was bei Dir nicht der Fall ist), dann müsstest Du, wenn Du ganz normal das Notebook-Netzteil anschließt, an allen Messpunkten 19V messen können.
Du hast aber einen Kurzschluss, wie Du mir geschrieben hattest.
Der Kurzschluss wird mit höchster Wahrscheinlichkeit auf der System-Rail liegen (die ich hier im Forum oft auch - etwas unpassend - als "19V-Rail" bezeichne).
Die System-Rail beginnt an Messpunkt 4.
Darum speisen wir dort unseren Teststrom ein (rote Leitung vom Labornetzteil).
Die schwarze Leitung verbinden wir dann mit Masse des Mainboards.
3. Kannst du mir einen Link schicken wo du die LC Folie gekauft hast (der zu Ebay funktioniert nicht mehr).
(Seufz!) die ist immer wieder schwer zu kriegen.
Und habe sogar den Verdacht, dass ich irgendwie Schuld daran habe, dass dem so ist, denn seit ich hier im Forum diese Folie so dick lobe, ist die kaum noch auftreibbar. Womöglich habe ich Hamsterkäufe getriggert, oder so was.
Die Folie ist großartig und für jeden ein Muss, der häufig Mainboards repariert. Da Du aber momentan nur Dein eigenes MB reparieren willst, kannst Du ja auch den speziellen thermochromatischen Farbwechsel-Nagellack verwenden, den ich schon häufig im Forum erwähnt hatte. Die betreffenden Threads kennst Du ja bereits.
Habe gerade auf eBay geschaut; aus Deutschland gibt es den nur relativ teuer, wohingegen ich den aus China früher für rund 3,- ERU bezogen hatte.
Da muttu einfach mal recherchieren, was für Dich in Betracht kommt, in Bezug auf Liefergeschwindigkeit und Preis.
Bevor ich die Folie und (davor) den Nagellack kannte, habe ich mir mit diversen anderen Tricks beholfen. Kerzenwachs und so.
Einige Tricks beschreibe ich hier:
https://www.edv-dompteur.de/forum/index.…grafie#post1833
Der darin verlinkte Artikel, also das pure Pigment, ist sogar noch erhältlich:
https://www.ebay.de/itm/Thermochromic-Co…C-/391657397643
Es sei aber noch einmal erwähnt:
Der Einsatz eines thermochromatischen Produktes, das bei 31 Grad Celsius die Farbe wechselt, ist herzlich sinnlos, wenn in der Bude nur 18 Grad Raumtemperatur herrschen!
Denn dann kann der Farbwechsel erst bei 13 Grad Temperaturerhöhung eintreten! - Das würde man auch locker per Finger spüren, da braucht man kein Farbwechsel Zeugs.
Ich habe in meiner Bude immer ungefähr 27 Grad Raumtemperatur (hey, verpetzt mich nicht bei Greta!). Da komme ich prächtig mit solchen Produkten klar, die dabei schon fast von selbst umschlagen, denn die reagieren dann bereits auf die leiseste Temperaturerhöhung.
Wenn Du so ein harter Kerl bist, der sich schon bei 18 Grad wohl fühlt, dann solltest Du ein Produkt nehmen, dass schon bei ganz gering höherer Temperatur umschlägt.
Die Flüssigkristallfolie hat gegenüber Pigmenten übrigens den Vorteil, dass sie "weicher" arbeitet und über einen weiteren Temperaturbereich einsetzbar ist. Da werden wirklich zarteste Temperaturunterschiede angezeigt.
Pigmente hingegen, arbeiten geradezu "binär".
Sonst gibt es noch einen Trick, den ich persönlich aber nicht sonderlich liebe:
Etwas Isopropylalkohol auf die Platine träufeln und dann den Strom einspeisen. Das Isopropanol verdunstet an der wärmsten Stelle zuerst.
Man kann da wirklich sehr kreativ sein, es gibt 1000 Wege, "Thermografie" zu geringsten Kosten zu realisieren.
In manchen Fällen wird ein kaputtes Bauteil auch so heiß, dass man es ganz problemlos per Finger ertasten kann. Die Hilfsmittel kommen halt dann zum Einsatz, wenn sich ein Bauteil nur ganz geringfügig und somit unspürbar erwärmt.
Ein letzter Trick noch:
Das MB längere Zeit ins Gefrierfach packen. Direkt nach der Entnahme hoher Luftfeuchtigkeit aussetzen, damit sich kleine Eiskristalle bilden.
Bei Einspeisung des Stroms wird das Eis an der wärmsten Stelle zuerst schmelzen.
Ich liebe solche Tricks nicht, aber wenn man mit Verstand an die Sache heran geht, dann kann man sie sinnvoll einsetzen.
Dass ein Mainboard nach so einer Tortur obergründlich getrocknet werden muss, versteht sich also von selbst.