Unter dem Motto "Stop watching us", (bzw. in "Twitter-Schreibweise" #StopWatchingUs) fanden heute in mehreren Städten Demonstrationen gegen Internetüberwachung statt.
Ein breites Aktionsbündnis hatte sich zusammengefunden und gemeinsam zu den Demos aufgerufen.
Dadurch bedingt, wurden neben PRISM, TEMPORA und Edward Snowden noch weitere Dinge thematisiert. Dabei wurde für meinen Geschmack etwas viel Redezeit verwendet, um die Tatsache zu kritisieren, dass in Hamburg derzeit vier "Gefahrenbereiche" existieren, in denen die Polizei besondere Vollmachten hat. Das war nun eher nicht so mein Thema ...
Start in Hamburg war um 14:00 Uhr, ab Gerhart-Hauptmann-Platz (Mönckebergstr.).
Ich kam etwa 20 Minuten später an, die Kundgebung startete aber erst nach rund weiteren fünf Minuten.
Für meinen Geschmack konnte das Wetter kaum besser sein! Bei 40 Grad werde ich wach!
Das war auch bitter notwendig, hatte ich in der Nacht zuvor doch kaum ein Auge zubekommen.
An Parteien waren neben den Piraten auch Grüne, DIE LINKE und mit Burkhardt Müller-Sönksen auch ein Abgeordneter der FDP zugegen.
Die Kundgebung startete, nach wenigen Worten des moderierenden Piraten, mit der Rede des FDP-Manns, der jedoch vehement ausgebuht und ausgepfiffen wurde, so dass seine Rede akustisch kaum zu verstehen war.
Das bedaure ich etwas, denn man sollte sich meiner Meinung nach über jedes Mitglied anderer (auch abgelehnter) Parteien freuen, die unsere gemeinsame Sache unterstützen.
Wobei ich allerdings zugeben muss, dass ich genauso gebuht und gepfiffen hätte, sofern ein CDU-Abgeordneter sich erblödet hätte, im Rahmen
so einer Demo seine Nase vom Rednerpult aus zu zeigen.
Was dann aber wirklich gar nicht ging, waren die zwei oder drei Jugendlichen, die wohl versucht hatten, den FDP-Mann von der Bühne zu holen.
Sehen konnte ich den Vorfall nicht, aber er wurde von einem anderen Bühnensprecher erwähnt und natürlich kritisiert.
Als Pirat (und anständiger Bürger, um mal dick aufzutragen), stimme ich der Kritik voll zu! Einen Redner von der Bühne zu zerren ist ASCHE, liebe Leute!
Auch wenn man mit der politschen Linie von dessen Partei absolut nicht einverstanden ist.
Wer solchen Mist baut muss sich auch nicht wundern, wenn "Robocops" in Schutzausrüstung auf Demos auftauchen.
Und genau das ist doch das, was wir, die wir gerne freie Bürger sein wollen, nicht möchten. Wir wollen nicht, dass die Polizei in Schutzausrüstung gegen Bürger zum Ensatz kommt. Folglich sollte man so etwas auch nicht provozieren.
Aber zum Glück war das ein Einzelfall. Ansonsten war die Stimmung sehr angenehm und alles verlief locker, friedlich und geordnet.
Vor der Fahrt zur Demo noch schnell eine Maske von Bradley Manning ...
... und natürlich Edward Snowden ausgedruckt.
Zum Basteln einer pappverstärkten, vor dem Gesicht tragbaren Maske hat die Zeit aber nicht mehr gereicht. Blöd, dabei wusste ich doch schon seit Wochen von dieser Demo.
Hier gibt es ein kurzes Video, das einen besonderen (den wohl wichtigsten) Auschnitt aus einer der Reden enthält:
https://www.youtube.com/watch?v=VX1E0G6rZbY
Sooo, die US-Regierung hat demnach also dem russischen Präsidenten Putin gegenüber versprochen, Edward Snowden NICHT zu foltern, sofern sie seiner habhaft wird.
Na großartig!
Mal davon abgesehen, dass die Amis ohnehin ein etwas
eigenartiges Verständnis davon haben, was noch KEINE Folter ist - dass es heutzutage offenbar notwendig ist, darüber zu sprechen, ob man eventuell ausnahmsweise mal NICHT foltert, ist ja wohl ein Hammer!
Wo leben wir eigentlich?
War Amiland früher nicht der stets gelobte
"Leuchturm der Demokratie und Menschenrechte in der Welt"???
Der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung: Die Mönckebergstraße hinunter, um rechts in den Jungfernstieg abzubiegen.
Jungfernstieg, wir kooomen!
Zwischen Alsterhaus und Binnenalster wurden wir langsam warm. Zu Beginn einer Demo fühlt es sich noch etwas sonderbar an, mit einem hochgehaltenen Schild durch die Stadt zu latschen. Doch mit der Zeit wird man enthemmter.
Auch das Wetter hat sehr gut mitgespielt; ich liebe hochsommerliche Temperaturen!
Was mir am Gänsemarkt aber allmählich auffiel, nervte mich etwas: Der Frontwagen spielte zwar tolle Musik, aber es wurden keine Parolen ins Mikrofon gerufen, es gab keine Sprechchöre ...
Einfach nur zu Techno-Beschallung, mit 'nem hochgehaltenen Schild in der Hand, schweigend durch die Innenstadt zu trotten, fand ich dann doch etwas dünn.
Also arbeitete ich mich zum Frontwagen vor und bat darum, mal das Mikrofon übernehmen zu dürfen, was mir aber leider ausgeschlagen wurde.
Immerhin konnte ich an dieser Stelle vor laufender Kamera ein kurzes Interview geben.
Meine Message (frei aus dem Gedächtnis):
Ich bin heute hier, weil ich finde, dass es ein Skandal ist, dass sich heutzutage anständige Menschen vor einem angeblich demokratischen Staat verstecken und um die halbe Welt flüchten müssen.
In was für Demokratien leben wir eigentlich?
Wenn Sie, liebe Zuschauer daheim, von einer riesigen Schweinerei Wind bekommen, was würden Sie tun?
Beispielsweise wenn Sie mitbekommen, dass die Bundeswehr radioaktives Material ins Meer entsorgt - nur als Beispiel.
Würden Sie schweigen?
Es heißt so oft: Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten. Edward Snowden - dieser junge Mann hier (da halte ich sein Bild in die Kamera) - beweist das Gegenteil!
Ich weiß nicht, ob mein kurzes Interview gesendet wurde, oder wird.
Aber mir fällt im Nachhinein auf, dass ich bei dem spontanen Interview einen wichtigen Teil vergessen hatte, der eventuell manchem Zuschauer helfen würde, die Kurve zu kriegen, worauf ich hinaus wollte:
JEDER kann jederzeit in die Situation eines Edward Snowden kommen! Und gerade derjenige, der sich in so einer Situation anständig verhält, der also die Bevölkerung informiert, weil anders keine Abhilfe in Sicht ist, hat plötzlich sehr wohl etwas zu verbergen!
Nämlich sich selbst, vor der jeweiligen Staatsmacht, die ihn dann anschließend rund um den Globus verfolgen wird!
Meine Wenigkeit, beim Fahnenschwenken.
Ein bereits erschöpfter Fahnenträger hatte die Piratenflagge auf dem Boden abgelegt. Die mochte ich da nun aber nicht so gerne auf dem schmutzigen Boden liegen sehen, also griff ich spontan zu und der bisherige Träger überantwortete sie mir, voller Erleichterung, die Last los zu sein.
Und ich gab mir alle Mühe, dieser Ehre gerecht zu werden!
An der Musikhalle (Leiszhalle) vorbei.
Hier hätte es eigentlich eine Reihe besonders gelungener Fotos geben sollen.
Ich drückte meine Kamera einem Passanten in die Hände und instruierte ihn. Der langsam aufkommende Wind füllte meine Piratenflagge optimal und ich posierte, stolz damit herumschwenkend, vor dem Demonstrationszug.
Doch leider hielt dieser Dussel die Digicam verkehrt herum und starrte beim Auslösen in das Objektiv, wohl in der Annahme es sei ein altmodischer Sucher.
So fotografierte er sich immer und immer wieder selbst, während ich voller Enthusiasmus das Modell spielte und mit der Flagge herumwedelte ...
Das gute Duzend Selbstportraits, die einen dämlich ins Objektiv starrenden Mann zeigen (der sich bestimmt sehr wunderte, warum der vermeintliche "Sucher" nicht funktionierte), erspare ich Euch mal.
Am DOM und U-Bahn Feldstraße vorbei, zog der Demonstrationszug durchs Schanzenviertel, gen Reeperbahn.
Die Abschlusskundgebung war auf dem Spielbudenplatz, Reeperbahn. Gegen Schluss, aber leider doch etwas verfrüht, begann es zu regnen. Erst nur wenig, aber rasch anschwellend, plus Gewitter.
Ruckzuck leerte sich der Platz.
Bereits vor Einsetzen des Regens hatte ich eine Bühne geentert, von der aus ich den großen Piratenflaggen-Wedler gab.
Vor dem Regen war ich nicht geschützt, an der Stelle, wo ich stand, obwohl der hintere Bühnenteil überdacht war.
Doch ich dachte überhaupt nicht daran, von der Stelle zu weichen! Ein echter Pirat fürchtet nicht das Wetter, nicht den Tod und nicht den Klabautermann!
Aber schon gar nicht einen Regenschauer mit etwas Gewitter!
Also verharrte ich, voll im Regen stehend, mit meiner hochgehaltenen Fahne, die ich ungerührt weiter schwenkte, vorzugsweise so, dass vorbeifahrende Busse sie gut sehen konnten.
Natürlich wurde ich klitschnass bis auf die Knochen, doch der Regen war angenehm warm; er vermochte, meine "Kampfesstimmung" nicht abzukühlen, vielmehr spülte er mir den Schweiß des heißen Tages aus dem Gesicht. Also verharrte ich - als einziger.
Das muss ungemein symbolträchtig gewirkt haben: Hinter mir, unter dem überdachten Teil, standen einige Dutzend (ehemalige) Demonstranten, eng zusammengerückt, um sich vor dem fürchterlichen Unbill des Nasswerdens zu schützen.
Manche hatten Flaggen der Grünen dabei. Oder Flaggen der LINKE.
Doch vorne, an der Front, im strömenden Regen, stand ein einzelner PIRAT und hielt, Wind & Wetter trotzend, stolz und standhaft, mit erhobener Fahne die Stellung!
So gehört es sich, so ist mein Weltbild in Ordnung!
Mögen auch alle sich drücken - ein echter Pirat steht bis zuletzt seinen Mann: Für bedrängte Helden vom Schlage eines Edward Snowden, für die Freiheit, für die Demokratie!