Aber betrachte meine Worte zu diesem Thema nicht als grundlegendes Wahrheitsprinzip des Universums. Tatsächlich bin ich nicht der große Datenretter und gehe selbst nur mit einem Halbwissen an solche Sachen heran, das kaum diese Bezeichnung verdient.
Meinen Kunden gegenüber kommuniziere ich das auch ganz offen.
Es ist aber so: Ein echter Datenrettungsprofi lässt sich jeden Handgriff vergolden. Dabei gibt es allerhand Fehlerchen, die so simpel sind, dass ich sie binnen Minuten fixen kann. Bei magnetischen Festplatten geht z. B. häufig eine Supressordiode am Stromeingang niederohmig kaputt. Die muss dann einfach nur raus, schon läuft die Platte wieder!
Ein Datenretter würde dafür einen dreistelligen Betrag nehmen. Ich mache das für 'nen Zwanni ...
Auch auf dem Platter "festbackende" Schreib-/Leseköpfe kann man durchaus selbst lösen; nix Reinraum. Habe ich im Laufe der Jahre sicherlich schon über 20 Mal gemacht, bei einer Erfolgsquote von traumhaften 100%, ohne jedem Datenverlust!
Das Gefasel der Datenrettungs-Profis von Reinraum ist da übertrieben, wenn man weiß, was man tut und was man tunlichst vermeidet. Und wenn man die Platte anschließend nur noch einmal verwendet, um sie auf ein gesundes Laufwerk zu klonen.
(Ob das Öffnen auch bei Helium-gefüllten Platten schadfrei machbar ist, weiß ich aber nicht.)
USB-Sticks sind in der Tat haariger, als magnetische Speicher.
Natürlich gibt es auch da einige Standardfehler, die so low-level sind, dass ein geschickter Mensch sie leicht beheben kann.
Ein defekter USB-Controller ist aber eindeutig nicht mehr zu low-level zu zählen, eben weil die Dinger eine Firmware beinhalten und man keine Daten darüber im Netz findet.
Immerhin muss so ein Controller mit verschiedenen Speicherchips klar kommen, auch unterschiedlichen Kapazitäten, sowie mit einer unterschiedlichen Anzahl bestückter Speicherchips.
Nicht jeder USB-Stick hat nur einen einzigen Speicherchip bestückt.
Dem Controller muss also in der Firmware mitgeteilt werden, womit er es zu tun hat.
Nach Einstecken in den Computer muss er dem Rechner mitteilen, welche Kapazität der Stick hat - plus einiger weiterer Daten.
All diese Informationen "weiß" der Controller ja nicht einfach so von selbst, bloß dadurch, dass er zusammen mit Speicherchips auf eine Platine gelötet wurde.
Vielmehr muss die physikalische Konfigurierung in einem im USB-Controller integrierten Flash-Speicher hinterlegt werden.
Dort befindet sich also einerseits die Firmware, sowie ein Bereich für diese Parameter.
Und dabei passiert manchmal Chaos. Wenn der Inhalt im Flash des Controllers irgendwie Schaden genommen hat, dann verhält sich der Stick fast beliebig sonderbar.
In solchen Fällen kann es helfen, die Firmware neu zu flashen. Dazu findet man im Internet einige Tools.
Was beim Formatieren eines Stick passiert, ist aber eine andere Schiene.
Dabei wird ja wohl kaum im Flashspeicher des USB-Controllers herumgerührt; vielmehr wird sich die Formatierung (so jedenfalls fühlt es sich für mich plausibel an) auf die Speicherchips außerhalb des USB-Controllers auswirken - also dort, wo die eigentlichen Userdaten gespeichert sind.
Da Flash-Speicher nicht unendlich oft neu beschrieben werden kann, kommt dort eine Technik ins Spiel, die bestrebt ist, die Schreibzugriffe statistisch möglichst gleichmäßig auf die einzelnen Speicherzellen zu verteilen.
Diese Technik soll vermeiden, dass einige Zellen abertausende Mal beschrieben werden, andere dagegen nur sehr selten, oder gar niemals.
Die Controll-Logik des Sticks verteilt die Userdaten also hochgradig fragmentiert auf die einzelnen Speicherzellen.
Damit das nicht in pures Chaos ausartet, muss die Controll-Logik folglich jederzeit wissen, wie die Daten verkettet sind.
Und an dieser Stelle bin ich mir eben unsicher, was beim Formatieren eines USB-Sticks eigentlich passiert?
In welcher Weise rührt der Vorgang des Formatierens in dieser Controll-Logik und der Datenverkettung herum?
- Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber angesichts dessen, was mir entweder bekannt, oder logisch herleitbar ist, melde ich ganz starke Bedenken an, einen zickenden Stick zu formatieren, bzw. dort irgend einen Schreibvorgang auszuführen, sofern man noch Daten retten will.
Andererseits weiß ich, dass man Tipps und Videos findet, wo in bestimmten Situationen die Formatierung empfohlen wird, als einer von mehreren Schritten, den wieder brauchbar zu machen.
Man muss aber auch schauen, was das Ziel solcher Aktionen ist! Manchmal geht es den Erklärbären nur darum, einen Stick wieder benutzbar zu machen, unter Inkaufnahme eines totalen Datenverlustes.
Wenn es dagegen um die Rettung gespeicherter Daten geht, dann würde ich allergrößte Zurückhaltung empfehlen, was jedweden Schreibzugriff auf den Datenspeicher betrifft!
Und hier kommt wieder das schon erwähnte Photorec ins Spiel!
Photorec greift ausschließlich lesend auf den Datenträger zu.
Es versucht also nicht, Fehler auf dem Stick aktiv zu beheben.
Dabei schert sich dieses Programm nicht um die zugrundeliegende Datenstruktur, sondern es versucht die Verkettung selbst zu rekonstruieren - aber halt nicht auf dem Quell-Laufwerk, sondern ausschließlich dort, wo die gelesenen Daten hin kopiert werden.
Ich hatte schon wirklich oft den Fall, dass kein anderes Tool mehr Daten retten konnte, nur Photorec schaffte es, weil es quasi am Betriessystem vorbei arbeitet.
Aber wenn sogar Photorec versagt, dann sitzt die Macke eben tiefer in der Hardware. Bzw. in der Firmware und Parametrierung des Controllers himself. Also dort, wo sich eine Formatierung durchs Betriebssystem gar nicht auswirkt.
Und hier kommen eben jene Tools ins Spiel, die in der Lage sind, die Firmware des USB-Controllers neu zu flashen.
Die rühren nicht im Speicher der Userdaten herum, sondern nur in dem kleinen Firmware-Flash, der direkt im USB-Controller integriert ist.
Da der Strombedarf Deines Sticks in einem Rahmen liegt, der für mich nicht direkt nach einem Hardware-Defekt aussieht, würde ich empfehlen, mal nach solchen Tools zu recherchieren.
Zusammenfassung:
- Eine Formatierung wirkt sich (sehr wahrscheinlich) schreibend auf den Speicher der Userdaten aus - sehr schlecht!
- Photorec greift nur lesend auf den Datenspeicher zu - 100% gefahrlos!
- Firmware-Tools beschreiben nicht den Userdaten-Speicher, sondern den USB-Controller himself - sollte gefahrlos sein.
Wobei ich den letzten Punkt natürlich nur dann als "gefahrlos" ansehe, wenn der Stick eh "nicht mehr tut".
Einem bestens funktionierenden Stick würde ich damit selbstverständlich nicht auf die Pelle rücken, wenn dort noch ungesicherte Daten vorhanden sind. Ein Neu-Flashen der Controller-Firmware ist die Analogie zu einem BIOS/UEFI-Update.
Und wenn alle Stricke reißen, muss man halt zusehen, einen 100% identischen Stick aufzutreiben und dessen Controller auszuschlachten.
Der wird ja passend für die umliegende Hardware geflasht sein; anders als neu gekaufte Blanko-Chips.
Nur ist es leider oft sehr sehr schwer, einen wirklich 100% identischen Stick aufzutreiben. Egal, was draußen aufgedruckt ist.