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EDV-Dompteur

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Mittwoch, 10. März 2021, 22:00

Vorher decke ich übrigens alles gut mit alu Tape von Tesa ab.
Eigentlich ist ja Kapton-Klebeband das Mittel der Wahl.


Ich selber war auch überrascht wie hoch ich mit der Temperatur gehen musste denke ein baumarkt Föhn wäre da besser geeignet weil der Luftstrom viel breiter ist.
Die Temperaturanzeigen lügen ohnehin wie gedruckt. Es ist wurscht, was die anzeigen, relevant ist die Dauer. Man orientiert sich an den in den Thermoprofilen der Bauteile angegebenen Zeiten. Und ein Heißluftgebläse aus dem Baumarkt ist für großflächige Bauteile definitiv besser geeignet, als eine SMD-Heißluftstation.

Ideal ist es, mit Unterwärme zu arbeiten (generell, aber bei BGAs definitiv!).
Und wenn das Auslöten dann so 2.5 bis 3 Minuten dauert, dann stimmt die Temperatur (passender Abstand vorausgesetzt). Was die Temperaturanzeige einem vorlügt, ist dann uninteressant.
Wenn Du ein Bauteil in weniger als 2 Minuten raus kriegst, dann war die Temperatur zu hoch eingestellt.
Und wenn es länger dauert, als drei Minuten, dann macht es eigentlich nichts; es ist nur lästig, wenn es so lange dauert. Und natürlich stresst es benachbarte Elkos und so.

Abgesehen von einer SMD-Heißluftstation habe ich zwei Heißluftgebläse.
Eines davon hat eine "Regelung" (in Wahrheit wohl nur eine Einstellung per Dimmer). Die taugt nicht so gut.
Die andere ist echt aus dem Baumarkt, war spottbillig und hat nur zwei feste Temperaturstufen. Die liebe ich!
Zufällig passt die untere ihrer beiden Temperaturstufen perfekt (ich glaube, es sind 700W)! Damit kriege ich keine Bauteile zerstört, egal was ich treibe. Und es dauert ordnungsgemäß etwa 2,5 Minuten, bis die Bauteile raus kommen. Da stimmen also alle Parameter.

Geräte mit Temperatureinstellung bieten eine zusätzliche Fehlerquelle. Zudem traue ich diesem Dimmer überhaupt nicht über den Weg, auch nicht wenn da eine Art Regelung im Spiel sein sollte.
Was nützt eine "pumpende" Regelung, die die Temperatur in einem Fensterbereich von sagen wir 30 Grad schwanken lässt?
Da arbeite ich lieber mit einer fixen Temperaturstufe und regele den Rest über den Abstand und die Zeit.
Sprich: Wenn das Bauteil nach drei Minuten noch nicht draußen ist, dann mit der Düse etwas tiefer gehen.
Mit der Methode habe ich noch nie Bauteile geschlachtet. Nur die FPC-Verbinder für die Flachkabel sind so ein Thema für sich, die schmelzen schon unmittelbar über der zum entlöten erforderlichen Temperatur.

Was großflächige BGAs so kritisch macht, ist die Tatsache, dass sie keine Beinchen haben, die mechanische Längendifferenzen federnd ausgleichen können.
Im Bereich der Löttemperatur wird die Platine weich, außerdem gibt es thermische Ausdehnung.
Wenn das Erhitzen und das spätere Abkühlen nicht gleichmäßig genug erfolgt (räumlich und zeitlich), dann frieren wir gewissermaßen eine mechanische Spannung in die Platine ein, die sich irgendwann entlädt, indem dort BGA-Pins von der Platine abplatzen.
Um das bestmöglich zu vermeiden, muss praktisch die gesamte Platine von unten her flächig aufgeheizt werden, nicht nur der Bereich nahe der Lötstelle. Sleepygti stellt die Unterwärme auf 200 Grad (aber wie gesagt: Temperaturanzeigen sind so eine Sache ...). Nur die restliche Wärme wird dann von oben zugeführt, nachdem bereits alles von unten her gut durchgewärmt wurde.
So ist die lokale Temperaturdifferenz zum Rest der Platine relativ gering und der thermische Verzug hält sich in Grenzen.
Dem Abkühlen muss die nötige Zeit gelassen werden, damit sich alles schön gleichmäßig wieder zusammen zieht.


Dumm ist aber, dass es BGA-Chips gibt, bei denen das Problem gar nicht darin besteht, dass BGA-Balls von der Platine abgerippt sind, sondern bei denen ist sozusagen intern etwas abgeplatzt.
Die kriegt man dann zwar durch das "Backen" temporär wieder zum Laufen und man denkt dann, das Problem wäre beseitigt. Doch das Glück ist eben nur von begrenzter Dauer, weil der Chip intern eine Macke hat und da kommt natürlich kein Flussmittel hin.
Ich kann mir leider nie merken, welche Chips das betrifft, darum lasse ich von großflächigen BGAs generell die Finger.
Es nützt nichts, ein Gerät zunächst wieder zum Laufen zu bringen, wenn man dann wenige Wochen später eine Reklamation am Hals hat. Damit wird niemand froh.

Konkret defekte Bauteile austauschen - kein Thema!
Aber Voodoo BGA-Rework (bei großflächigen Chips) - lieber bleiben lassen. Insbesondere, wenn keine vernünftige Rework-Station zur Verfügung steht.

Natürlich kann man einen krebskranken 80-Jährigen noch am Hirn operieren, wenn es voller Metastasen ist; prinzipiell schon. Aber man sollte darauf gefasst sein, dass der endgültige Abschied so oder so nah ist, selbst wenn er die OP überlebt.
Und wenn man als Doktor im Dschungel sitzt, ohne perfekt ausgestattetem OP-Raum, dann erst recht die Finger von der Sache lassen, statt den Schädel mit der Säge am Schweizer Taschenmesser aufzusägen.
Mit 'ner normalen SMD-Heißluftstation einen großflächigen Notebook-Prozessor reworken zu wollen, ist IMHO schlicht Arschkram.

Bei Handys stehen die Chancen da schon viel höher, weil die Chips kleiner sind und die Platinen ebenfalls. Da fällt thermischer Verzug nicht so dick ins Gewicht, zumal es viel einfacher ist, eine so kleine Platine flächig aufzuheizen.
Macht Technik dir das Leben schwör, ruf' schnell den EDV-Dompteur! ;-)

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